Der BFH hat in einem Urteil die aktuelle Ausgestaltung der Rentenbesteuerung als verfassungskonform bestätigt (BFH, Urteil v. 19.5.2021 – X R 33/19; veröffentlicht am 31.5.2021). Bisher liegt keine generelle „doppelte Besteuerung“ von Renten vor, künftige Rentenjahrgänge ab 2025 könnten aber davon betroffen sein. Der Bundesfinanzminister begrüßte das Urteil und kündigte an, zu Beginn der nächsten Legislaturperiode eine Steuerreform auf den Weg zu bringen, die die Vorgaben des BFH erfüllt und auch in Zukunft eine „doppelte Besteuerung“ von Renten vermeidet.
Hintergrund des Urteils ist, dass seit 2005 das System der Besteuerung der gesetzlichen Rente umgestellt wird. Auslöser für diese Umstellung war das Bundesverfassungsgericht, das 2002 den Gesetzgeber zu einer Änderung verpflichtet hatte. Denn während Beamte ihre Pensionen voll versteuern müssen, war bei der gesetzlichen Rente nur der sog. Ertragsanteil zu versteuern. Dieser bemaß sich nach dem Alter der Rentner und bezog sich auf etwa 27 bis 35 % der Rentenzahlung, die der Einkommenssteuer unterlagen. Diese Umstellung hat zu Sorgen und auch Klagen geführt, da in bestimmten Fällen eine „doppelte Besteuerung“ (Zuvielbesteuerung) vermutet wird – also eine Besteuerung sowohl der Rentenauszahlung als auch eine Besteuerung des Einkommens, aus dem zuvor die Einzahlungen in die Rentenkasse geleistet werden.
Der BFH hat nun entschieden, dass bisher keine generelle „doppelte Besteuerung“ von Renten vorliegt. Gleichzeitig hat der BFH festgestellt, dass aufgrund der derzeitigen gesetzlichen Regelung zukünftige Rentenjahrgänge von einer „doppelten Besteuerung“ betroffen sein könnten. Dies dürfte ab 2025 der Fall sein.
Sowohl der BFH als auch das BVerfG haben die derzeitige Rentenbesteuerung (Umstellung von vorgelagerter zu nachgelagerter Besteuerung) bereits in mehreren Entscheidungen als verfassungskonform bestätigt (BFH, Urteil v. 19.5.2021 – X R 33/19; veröffentlicht am 31.5.2021, siehe hierzu unsere Online-Nachricht v. 31.5.2021 inkl. Anmerkung des BFH-Richters Prof. Dr. Nöcker). In den nun abgeschlossenen Verfahren ging es daher lediglich um bisher noch nicht höchstrichterlich entschiedene Fragen zur Berechnung der „doppelten Besteuerung“. Der BFH hat bestätigt, dass die aktuelle Regelung der nachgelagerten Besteuerung der Rente verfassungskonform ist. Allerdings könnte sich für spätere Rentenjahrgänge – zumindest für einige Personengruppen – bei gleichbleibender Gesetzeslage eine Zuvielbelastung im Rahmen der Besteuerung ihrer Renten ergeben.
Erstmals hat das oberste Finanzgericht konkrete Berechnungsparameter für eine etwaige „doppelte Besteuerung“ von Renten festgelegt (BFH, Urteil v. 19.5.2021 – X R 20/19. Um eine „Doppelbesteuerung“ zu vermeiden, werden schon bisher zwei Zahlen miteinander verglichen: Auf der einen Seite die Einzahlungen in die Rentenkasse, die aus dem bereits versteuerten Einkommen erfolgt sind und für die daher bereits eine Versteuerung erfolgte. Und auf der anderen Seite der Teil der Rente, der steuerfrei ausgezahlt wird. Dabei wird die jährliche Rentenzahlung mit der statistischen Lebenserwartung multipliziert, um die beiden Summen vergleichen zu können. Dies ist der sog. Rentenfreibetrag, ein fester Eurobetrag, der einmal festgesetzt wird. Wenn dieser Rentenfreibetrag höher ist als die Summe aller Beiträge, die aus dem versteuerten Einkommen während des Erwerbslebens in die Rentenkasse eingezahlt wurden, liegt keine „Doppelbesteuerung“ vor. Nur wenn die steuerfrei ausgezahlte Rente in Summe niedriger ist als die eingezahlten Beiträge aus dem versteuerten Einkommen, ist eine „doppelte Besteuerung“ gegeben.
Es kommt daher zur Beantwortung der Frage, ob eine Doppelbesteuerung vorliegt, insbesondere darauf an, wie hoch der steuerfreie Rententeil, der Rentenfreibetrag, ist. Bisher hat die Finanzverwaltung bei der Ermittlung der steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse zusätzlich den allgemeinen steuerlichen Grundfreibetrag (aktuell 9.744 €) berücksichtigt. Dies hatte zur Folge, dass auch für die Prognosen der nächsten Rentnergenerationen die voraussichtlich zufließenden steuerfreien Rententeilbeträge in der Regel höher ausfielen, als die Summe der aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträge. Daher war eine „Doppelbesteuerung“ nicht anzunehmen.
Der Bundesfinanzhof hat nun entschieden, dass der Grundfreibetrag nicht in die Berechnungen einfließen dürfe. Aufgrund der neuen Vorgabe ermittelt sich der steuerfreie Teil der Rente im Wesentlichen aus dem gesetzlich vorgesehenen Rentenfreibetrag unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Laufzeit der Rente. In der Folge dieser neuen Vorgabe sinkt der steuerfreie Rentenbetrag ab, wodurch eine „Doppelbesteuerung“ in Zukunft für weitere Gruppen wahrscheinlicher wird.
Auch bei fiktiver Anwendung dieser neuen Berechnungsgrundsätze auf die konkret vom Gericht zu entscheidenden Fälle ergibt sich keine „doppelte Besteuerung“. Für den überwiegenden Teil der jetzigen Rentner wird keine „doppelte Besteuerung“ festzustellen sein. Anders könnte das für zukünftige Rentenjahrgänge aussehen: Der steuerfreie Teil der Rentenzahlungen wird in den nächsten Jahren stetig abnehmen, bis 2040 die gesamte Rente zu versteuern ist. Die Beiträge zur Rentenversicherung sollen allerdings bisher erst ab 2025 vollständig steuerfrei gestellt werden. Wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Übergangsregelung unverändert blieben, könnte sich also eine Doppelbesteuerung ergeben. Somit besteht Handlungsbedarf, um eine zukünftige Zuvielbesteuerung von Renten in jedem Fall zu vermeiden.
Die Urteile schaffen Rechtssicherheit für Rentner, Verwaltung und Steuerzahler. Eine Doppelbesteuerung von Renten darf es nicht geben. Dies gilt sowohl für heutige wie auch für künftige Rentnergenerationen. Eine mögliche „Doppelbesteuerung“ könnte z.B. vermieden werden, indem die für 2025 geplante vollständige Absetzbarkeit der Einzahlungen in die Rentenkasse während der Erwerbsphase vorgezogen wird.